Baugeschichte der Salginatobelbrücke

Die Ausschreibung erfolgte im Sommer 1928. Zwei Monate später war das Kantonale Bauamt im Besitz von 19 Projekten für einen Tobelübergang. Man bevorzugte die günstigste Offerte der Firma Prader, obwohl man der ungewohnt schlanken Konstruktion nicht recht traute. Es handelte sich dabei um das Projekt von Robert Maillart, dem es einmal mehr gelungen war, durch sparsamste Verwendung des damals sehr teuren Materials Stahlbeton die wirtschaftlichste Brückenlösung zu finden. Der Bau wurde zur offerierten Pauschalsumme von CHF 135’000.– vergeben.

Das fast fertig erstellte Lehrgerüst der Salginatobelbrücke. Diese Postkarte trug Vorarbeiter Konrad Flütsch zeitlebens als Erinnerung an die gefährliche und doch grossartige Arbeit in der Jackentasche - daher die Beschädigungen im Bild. (Foto J. Hi…

Das fast fertig erstellte Lehrgerüst der Salginatobelbrücke. Diese Postkarte trug Vorarbeiter Konrad Flütsch zeitlebens als Erinnerung an die gefährliche und doch grossartige Arbeit in der Jackentasche - daher die Beschädigungen im Bild. (Foto J. Hitz, Pany/Archiv A. Kessler)

Das vielbeachtete Lehrgerüst von Richard Coray kostete weitere CHF 45'000.–. Im Spätsommer 1929 wurde es von nur sechs Arbeitern auf einem riesigen Reissboden in der Nähe des heutigen Gemeindesaals abgebunden und im steilen Tobel aufgestellt. Der Holzbedarf betrug rund 700 m³ und konnte aus gemeindeeigenen Waldungen gedeckt werden. Die Betonierungsarbeiten erfolgten 1930 in der unglaublich kurzen Zeit von nur drei Monaten. Das gesamte Betonmaterial wurde von Hand gemischt und mit Karretten zugeführt. Die heikelste Phase war der Guss der dünnen Bogenplatte, welcher ohne Unterbruch von beiden Seiten her absolut symmetrisch durchgeführt werden musste und nach 40 Stunden mühevoller Arbeit vollendet war. Mitte August 1930 konnte das Lehrgerüst abgesenkt und das Bauwerk dem Verkehr übergeben werden.

In der Geschichte der Brückenbaukunst ist die Salginatobelbrücke längst ein Markstein. Ihre revolutionäre Konstruktion hat neue Akzente gesetzt und Bauingenieure in allen Erdteilen beeinflusst. Das dreigelenkige Bogentragwerk bildet ab den Viertelspunkten zum Scheitel hin einen steifen Hohlkasten: Gewölbe, Seitenwände und Fahrbahn sind zu einer schlanken Einheit zusammengeschmolzen. Umgekehrt verjüngen riesige Aussparungen der Seitenwände den Bogen zu den Auflagern hin. Die optische Wirkung ist bestechend – wie ein riesiger Windhund springt die Brücke an die lotrechte Felswand. Die unverzierte Klarheit der in dünne Platten und Scheiben aufgelösten Form begeistert Fachleute und Laien gleichermassen und wirkt zeitlos modern. Nie zuvor ist Stahlbeton sparsamer und eleganter angewendet worden.